Triathlon-Mekka in ROTH

(von Mario Neumann)

Nun ist auch diese Herausforderung geschafft: Mirko und ich schafften ihre erste Langdistanz! Aber der Reihe nach…

Im vorigen Jahr war ich als Zuschauer an der Strecke, um Mirko in seinem ersten Versuch in der Triathlon-Hochburg in Roth zu unterstützen. Leider musste er nach dem Schwimmen und der Radstrecke bei Laufkilometer 10 mit starken Muskelproblemen aufgeben. Gefesselt von der Atmosphäre der ca. 3.800 Sportler und nahezu 200.000 Zuschauer stand für uns beide fest: Hier müssen wir noch einmal her, hier wird man von den Zuschauern ins Ziel „getragen“.

Und schon gingen im Herbst die Vorbereitungen los. Während ich selbst sehr gut durch den Winter kam, musste Mirko in der Laufvorbereitung durch verschiedene Probleme immer wieder zurückstecken. Dann kam auch ein Rückschlag für mich: Mitte Februar im Skiurlaub verletzte ich mich so unglücklich, dass eine sechswöchige Ruhigstellung des rechten Oberarms erforderlich wurde. Im Trainingsplan war zu dieser Zeit die Radgrundlage avisiert! Ich konnte keine der drei Triathlon-Disziplinen ausführen. Für uns beide stand zu diesem Zeitpunkt immer wieder die Frage: Abmeldung bis zum Stichtag 30.April?? Was wäre es dann für eine Enttäuschung, wenn wir doch noch rechtzeitig fit werden würden?

Auf Mirko’s medizinischen Rat als Orthopäde hin begann ich unter fachkundiger Anleitung unseres Schwimmtrainers Jan Frobart Mitte April mit vorsichtigen Schwimmübungen. Hier zeigte sich die hervorragende fachliche Kompetenz von „Frobi“, mit verschiedenen Übungen behutsam eine Belastung aufzubauen. So gewann ich bis Ende Mai die Hoffnung, 3,8 km Schwimmen durchzustehen. Und nun hieß es auch, im Training die langen Kanten mit Rad und im Laufschritt zu absolvieren. Das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit kam zurück.

Langsam rückte auch der Termin 08. Juli immer näher. Zwei Tage vorher in Roth angekommen, spürte ich immer wieder das Fieber dieses Wettkampfes in dieser Region. Nahezu alle Menschen sind irgendwie positiv Beteiligte: vom Bäcker angefangen, über Polizisten, Fußballverein, Messestandbetreuer und eben auch nur Straßenpassant. Toll, ein Mitglied dieser „Familie“ sein zu dürfen.

Ich fühlte mich entspannt, war aber unschlüssig zwischen Vorfreude und des Respekts vor der langen Distanz. Unser beider Ziel war das Motto des Veranstalters: See you on the finish line! Wir wollten es unbedingt schaffen.

Nachdem am Samstag vorher das Rad ordentlich eingecheckt wurde, wurden wir am Sonntag früh gegen 05:00 Uhr von Freunden zum Schwimmstart gefahren. Eigentlich hatte ich angenommen, dass so früh vor einem langen Tag die Zuschauer rar sein würden. Aber nicht in Roth! Tausende Menschen säumten den Main-Donau-Kanal. Auf den zwei überspannenden Brücken, die an diesem Tag für den motorisierten Verkehr gesperrt wurden, war es zu Fuß fast zu eng!

Plötzlich donnerte schon der erste Kanonenschuss: Start für die erste von 13 Gruppen. Für uns sollte es erst etwa eine Stunde später ernst werden. Von Langeweile bis dahin keine Spur. Hier war jetzt Zeit, diese Gänsehaut-Stimmung intensiv aufzunehmen.

Endlich wurde auch meine Startgruppe zum Schwimmen gerufen. Nun galt es, die Backen zusammen zu kneifen und zu zeigen, was das Training gebracht hat. Ich hatte mir vorgenommen, mich beim Start nicht zu weit vorn einzureihen. Erfahrungsgemäß werde ich dann von den anderen 300 Mitstreitern „unter Wasser“ nach hinten gereicht. An diesem Tag war es aber ganz anders: Vorn waren vielleicht 20-30 Sportler, der Rest war hinter mir! Was soll’s, dachte ich und so fand ich schnell meinen eigenen Rhythmus, ohne die üblichen Behinderungen mit fremden Körperteilen. Bis zur ersten Wendeboje bei ca. 1000 m hatte ich es schnell geschafft. Eine Brücke über den Kanal an dieser Stelle erleichtert die Orientierung. Auf dem ca. 2 km langen Rückweg spürte ich ständig die Begeisterung an der Strecke, insbesondere im Start-/Zielbereich. Nun war ich auch an der Stelle angekommen, an der sich mein persönlicher Fanblock aus Familie und Freunden befand. Ein unbeschreibliches Gefühl, dass mich noch mehr beflügelte! Nach dem Schwimmausstieg hörte ich sie wieder und konnte mir ein Abklatschen über den Absperrzaun nicht verkneifen. Im Wechselzelt erinnerte ich mich, dass ich doch nach der Schwimmzeit schauen wollte: Was war das denn: Meine Erwartungen lagen bei etwa 1:30 – 1:35 Stunden, nun war aber eine Zeit von 1:20 Stunden möglich gewesen!

Nach dem Wechsel auf’s Rad hieß es aber nun wirklich Ruhe bewahren und nicht zu schnell zu beginnen. 180 km sind eine lange Strecke und danach ist es nicht zu Ende. Also hielt ich mich an meine eigene Vorgabe, in der ersten von zwei Runden einen Schnitt von 30 km/h einzuhalten. Von der Radstrecke kannte ich zwar als Zuschauer den Berg vor Hilpoltstein und den Solarer Berg. Aber vom Profil her spielt der Gredinger Berg mit seinen mehreren Rampen die entscheidende Rolle. Als ich diese Erhöhung zum ersten Mal erreichte, kann ich heute sagen, dass mein Respekt davor zu groß war. Hier ging es im eigenen Rhythmus flott bergauf. Meine Fans hatten sich einen Berg vor Solar postiert. Da war es eventuell noch möglich, miteinander zu kommunizieren. Und es ist auch bewundernswert, wie sie sich von einem Streckenpunkt zum nächsten kämpften, um mich nicht zu verpassen.

Vielleicht noch ein Wort zum Solarer Berg: Ich kannte diese Stimmung als Zuschauer. Als ich jedoch als Radfahrer durch diesen Hexenkessel fuhr, lag kein Haar mehr auf der Haut! Die feuchten Augen sind Gott sei Dank hinter der Sonnenbrille versteckt. Und während ich den Anstieg kaum spürte, merkte ich erst viel später, als der Rausch allmählich verflog, dass ich hier wahrscheinlich zu schnell war.

Auf der zweiten Runde fühlte ich mich stark genug, das Tempo leicht zu erhöhen. So wechselte ich zum Lauf nach einer Radzeit von 5:49 h (31 km/h).

Die Laufstrecke führte uns wieder an den Main-Donau-Kanal. Dort angekommen biegt man nach links ab, um nach einem Wendepunkt wieder an diese Stelle (nun km 21) zu gelangen und in die andere Richtung am Kanal entlang zu laufen. Da ich nach etwa 3 km einen guten Laufrhytmus gefunden hatte und mich meine Fans ständig auf der anderen Kanalseite mit dem Fahrrad begleiteten, verlief der erste Teil des Marathons ziemlich locker in knappen 2 Stunden. Hier kam mir Mirko ein erstes Mal entgegen. Doch ab ca. km 28 schwanden die letzten Reserven. Jetzt hieß es, durchbeißen, Tempo anpassen und an Ernährung denken. Hier waren es dann wieder meine Familie und die Freunde an der Strecke, die die letzten Körner mobilisierten! Und natürlich denkt man dabei auch an die sportlichen Mitstreiter und Freunde zu Hause, die mir viel Glück wünschten und nun am Sonntag nachmittags vor dem Liveticker sitzen und mitfiebern. Und so zählte ich die Kilometer einzeln rückwärts dem Ziel entgegen. Als ich Mirko an seinem Kilometer 21 (bei mir km 36) nochmals sah, freuten wir uns gemeinsam, es bereits soweit geschafft zu haben.

Was ich nun im Zielstadion auf den letzten 300 Metern fühlte, das sollte ich trotz Solarer Berg noch nicht erlebt haben. Hier wird jeder Einzelne gefeiert und mit Laola und Standing Ovations begrüßt. Als mich dann noch mein Sohn auf den letzten Metern ins Ziel begleitete, war ich, sicher mit allen anderen Finishern an diesem Tag, der glücklichste Mensch der Welt.

Ich hatte vorher keine genaue Zeitvorstellung für diese Distanz. Meiner Familie hatte ich gesagt, dass ich bei meiner Startzeit von 7:40 Uhr nicht vor 19:15 Uhr im Ziel sein könnte. Zu meinem eigenen Erstaunen gelang es mir 19:16 Uhr: 3,8 km Schwimmen, 180 km Rad und 42,2 km Lauf in 11:36:39 h waren geschafft!

Nach einer Massage, Duschen und ausgiebigem Essen wurde ich nun selbst Mitglied des „Begrüßungskomitees“ im Zielstadion. Wir warteten auf Mirko, der sehr bald ins Ziel kommen würde. Was für eine Freude auch für mich, da ich wusste, er war in seinem Leben noch nie eine Marathondistanz gelaufen. Seine Freude und sein Glücksstrahlen waren ebenso innig wie die Umarmung im Ziel mit seiner Frau und Tochter! Nun war klar: Wir hatten es beide geschafft!